< PreviousKURZMELDUNG W elche Richtung schlägt der Samariterbund Wien in Zukunft beim Umwelt- schutz ein? Und wie soll die Gesund- heitsvorsorge für die Mitarbeiter:innen aussehen? Diesen Fragen gingen knapp 50 Mitarbeiter:innen aus allen Abtei- lungen des Samariterbundes bei einem gemeinsamen Workshop nach. Das Ziel dabei: die Entwicklung eines neuen Nachhaltigkeitsleitbildes für Gesund- heit und Ökologie im Landesverband. Der Weg dorthin: gemeinschaftli- ches Diskutieren in Kleingruppen zu Themen wie der Zukunft des Arbeitens oder auch der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen für den Klimaschutz. „Umwelt und Gesundheit sind nicht voneinander zu trennen. Hier nach- Samariterbund Wien entwickelt neues Leitbild haltig zu handeln, genießt deshalb Toppriorität“, erklärte zu Beginn Geschäftsführer Oliver Löhlein. In einem nächsten Schritt werden nun die Denkanstöße und Vorschläge gesichtet, um schließlich ein neues Leitbild zu definieren. Cartoon: R.Foltyn • Fotos: Samaritrerbund/G.Pall Mitarbeiter:innen aus allen Abteilungen waren beim Brainstormen beteiligt. 10Samariterbund/A. Schmidt Die Mitarbeiter:innen der Wohnungshilfe des Samariterbund Wiens haben mit großem Engagement ein bemerkenswertes Angebot auf die Beine gestellt: 17 Wohnungen in ganz Wien bieten Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine, zwei Teams betreuen die Schutzsuchenden. E ine möblierte Drei-Zim- mer-Wohnung in Florids- dorf ist das neue Zuhause für Violetta, Yaroslav und ihre drei Kinder. Die Familie stammt aus Dnipro, der viertgrößten Stadt in der Ukraine. Vor den Kriegswirren in ihrer Heimat geflüchtet, leben sie nun seit August des Vorjahres im 21. Bezirk. Jede Woche bekommt die Familie Be- such von den Sozialarbeiter:innen der Abteilung Mobil betreutes Wohnen des Samariterbundes, Elisabeth Hoheneder und Christian Reitmann. „Wir leisten ganz konkrete Unterstützung im All- tag“, erklärt Reitmann. 17 grundmö- blierte Wohnungen in ganz Wien mit derzeit 73 Bewohner:innen werden be- treut. „Wir helfen bei Amtswegen, bei der Vermittlung von Deutschkursen, unterstützen bei der Suche nach einer Arbeitsstelle oder einem Kindergarten- platz und fördern alle Maßnahmen in Richtung einer gelungenen Integra- tion“, fasst der Experte zusammen. Kinderfreundliche Umgebung Im Wohnzimmer haben Violetta und Yaroslav am Esstisch Platz genommen. Töchterchen Arina (dreieinhalb Jahre alt) und Sohn Artem (knapp neun) gesellen sich zu ihnen, Nesthäkchen Miroslava (eineinhalb Jahre alt) sitzt in einem Kinderhochstuhl. Violetta zeigt den Besucher:innen Handy-Fotos ihrer zerstörten Heimatstadt. Nach Kriegs- ende möchte die Familie dennoch so schnell wie möglich wieder in die Ukraine zurückkehren. Yaroslav ist er- leichtert, dass sich seine Familie trotz der belastenden Situation schon gut in Wien eingelebt hat. „Die Nachbarn sind sehr nett und hilfsbereit, und die Umgebung ist mit ihren Grünanlagen und Spielplätzen sehr kinderfreundlich ausgestaltet.“ Die soziale Wohnungsverwaltung des Fachbereichs Wohnungslosenhilfe des Samariterbundes lukriert die Unter- künfte für die ukrainischen Geflüchte- ten – in Zusammenarbeit mit einer Ge- nossenschaft und gefördert vom Fonds Soziales Wien. „Bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs gab es diesen Bereich der Flüchtlingshilfe bei uns noch nicht“, erläutert Daniela Krohn, Einrichtungs- leiterin in der Abteilung Mobil betreu- tes Wohnen beim Samariterbund Wien, den Entwicklungsprozess. „Die Bereit- schaft, den Geflüchteten zu helfen und auch ihnen Wohnungen zur Verfügung zu stellen, war aber gleich sehr groß. Bereits im Mai des Vorjahres ist die erste Familie eingezogen.“ Sprachbarrieren überwinden Im Zeitraum der Wohnungserschlie- ßungen wurden 15,5 Tonnen an Möbel verteilt und aufgebaut, 3.850 Kilometer zurückgelegt und 144 Lampen mon- tiert. „Das war gerade durch das hohe Engagement meiner beiden Teams aus der Wohnungslosenhilfe möglich, die dieses Angebot während ihrer Haupt- aufgabe nebenher aufgebaut haben“, betont Boris Strassegger aus dem Fach- bereich Wohnungslosenhilfe. Etwaige Spachbarrieren mit den Klient:innen werden mittels Audio- Video-Dolmetschsystem überwunden. „Viele Klient:innen sprechen sehr gut Englisch oder auch schon Deutsch“, berichten Daniela Krohn und Christian Reitmann. „Es ist unglaublich, wie schnell die Kinder Deutsch lernen. ,Ur- gut‘ gehört schon zum Sprachgebrauch der Jüngsten.“ Anja Schmidt „Konkrete Unterstützung im Alltag“ oon: R.Foltyn • Fotos: Samaritrerbund/G.Pall Die fünfköpfige Familie – Violetta, Yaroslav und ihre drei Kinder – hat in ihrer Floridsdorfer Wohnung Schutz gefunden. 11_REPORTSeit dem Bestseller „Gut gegen Nordwind“, der in 40 Sprachen übersetzt und als Film gefeiert wurde, zählt Daniel Glattauer zu den beliebtesten Schriftstellern in Österreich. Nun hat der Wiener Erfolgsautor mit seinem neuen Buch „Die spürst du nicht“ erstmals einen politischen Roman geschrieben. WIEN hat Daniel Glattauer zu einem Gespräch im Café Sperl getroffen und mit ihm über Flüchtlingshilfe, Integration und sein neues Buch gesprochen. sam WIEN: Im Zentrum Ihres neuen Romans „Die spürst du nicht“ steht eine Flüchtlingsfamilie aus Somalia und der Umgang mit Flüchtlingen in einem Umfeld zweier Wiener Bobo-Familien. Was hat Sie dazu be- wogen, dies zum Thema Ihres neuen Romans zu machen? Daniel Glattauer: Wie immer bei mei- nen Büchern schöpfe ich die Themen aus meinem unmittelbaren Umfeld. So war es auch diesmal. Wir hatten einen Urlaub mit zwei befreundeten Paaren in der Toskana geplant. Es war nach der „UNSERE FLÜCHTLINGSPOLITIK FINDE ICH GRAUENHAFT“ Fotos: Samariterbund/C.Lipinsky Erfolgsautor Daniel Glattauer Coronazeit und wir waren alle ausge- hungert nach einem schönen Erlebnis. Meine Frau Lisi und ich haben unser damals 14-jähriges Patenmädchen Madina mitgenommen, auch, damit sie dort schwimmen lernt. Und wie das vor einem Urlaub so üblich ist, macht man sich viele Gedanken. Und einer der schlimmsten war, dass wir beim Swimmingpool aufpassen müssen. Der Gedanke war: Ein Flüchtlingskind über- steht die Flucht und ertrinkt dann in einem Wohlstands-Swimmingpool von Bobos. Das war die Idee für das Buch. Der dramatische Verlauf im Roman ist aber erfunden…? Ja (lacht), wir hatten einen sehr schö- nen Urlaub. Madina hat schwimmen gelernt. Wir haben lange überlegt, wann wir es ihr sagen sollen, dass sie die Inspiration zu diesem Buch war, das eine tragische Geschichte erzählt. Ihre Reaktion war aber sehr gelassen. Sie hat nur gesagt: Ah, das klingt spannend! Sie widmen der Fluchtgeschichte der Familie Ahmed in ihrem Buch 12_REPORT_REPORT os: Samariterbund/C.Lipinsky ausführlich Platz – etwa, warum diese ihre Heimat Somalia verlassen musste und was sie Tragisches wäh- rend ihrer Flucht erlebt hat. Warum war es Ihnen wichtig, dies in ihrem Roman detailliert zu erzählen? „Die spürst du nicht“ steht für all jene, auf die vergessen wird. Meine Frau und ich haben seit Jahren unbegleitete minderjährige Burschen aus Somalia unterstützt, die mittlerweile erwachse- ne junge Männer sind. Nach und nach haben sie uns ihre Erfahrungen von ihrer Flucht geschildert. Es war sehr bedrückend und erschreckend, was man da zu hören bekommt. Ich glaube, dass viele Leute nichts davon wissen. Wenn man das aus erster Hand erfährt, geht einem das sehr nahe. Die Flucht- geschichte der Familie Ahmed ist aus wahren Geschichten zusammengestü- ckelt. Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrem privaten Engagement für die jungen Flüchtlinge gemacht? Über die Asylkoordination sind meine Frau und ich 2016 auf das Paten- schaftsprojekt „Connecting People“ gekommen und haben so einen damals 16-jährigen Somali und später zwei seiner Freunde kennengelernt. Wir ha- ben gemeinsame Spaziergänge unter- nommen, sie eingeladen, wir haben viel Karten gespielt, für die Schule gelernt, unsere Beziehung hat sich intensiviert. Sie sind jetzt alle volljährig und haben unterschiedliche Wege eingeschlagen. Einer war ein Musterschüler, der eine Kochlehre in Kürze mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Bei der Lehrab- schlussverleihung wurde ihm gesagt: „Bitte bleiben Sie bei uns – wir brau- chen Sie.“ Das war eine wunderbare Botschaft für ihn. Auch für Madina aus Afghanistan ha- ben wir eine Patenschaft übernommen. Sie ist mit zwölf Jahren allein nach Österreich gekommen, da ihre Eltern und Schwester vorerst in Griechenland bleiben mussten. Auf ihren Wunsch hin haben wir gemeinsam ihre Familie im Flüchtlingslager in Griechenland besucht. Es ist beschämend, wel- che Situationen man in den Lagern zulässt. Diese Menschen haben ja nichts Böses gemacht. Es gibt keine Asyltouristen – das Auswandern ist das, was Menschen in Kauf nehmen, um eine furchtbare Lebenssituation zu verbessern. Wie stehen Sie zur Flüchtlingspo- litik in Österreich? Unsere Flüchtlingspolitik finde ich grauenhaft. Die Politik kann und muss einen gewissen Ton vorgeben, der die Stimmung in der Bevölke- rung beeinflusst. Unsere Regierung und manche Oppositionsparteien geben aber einen Ton an, der es den Menschen schwermacht, mit den Schicksalen der Flüchtlinge mitzufühlen. Mein Aufruf ist, sich anzuschauen, was diese Leute erlebt haben. Wir sehen zuerst nur ihre Turnschuhe und ihr Handy. Aber was sie in Wirklichkeit mit sich he- rumtragen, das wird nicht gesehen. Vor allem den Jugendlichen sieht man den Schmerz und die Tragik nicht sofort an. Sie erleben erstmals in ihrem Leben Freiheit und verhal- ten sich auf den ersten Blick nicht so, als hätten sie Traumatisches erlebt. Wie kann ein gutes Miteinander bzw. Integration gelingen? Integration ist etwas, das von beiden Seiten kommen muss. Man verlangt es von den Geflüchteten, aber sie brauchen unsere Hilfe dafür. Wir müssen ihnen mindestens auf dem halben Weg entgegenkommen. Da- mit meine ich, dass sie die Sprache lernen müssen – manche tun sich damit schwer, andere leichter. Es braucht Vermittler – wie NGOs, Privatpersonen und Institutionen und natürlich die Politik mit der Bot- schaft, dass wir alle zusammenhel- fen müssen. Integration braucht Zeit – oftmals über Generationen. Susanne Kritzer DER ROMAN Daniel Glattauer lässt in seinem neuen Roman „Die spürst du nicht“ Menschen zu Wort kommen, die keine Stimme haben und zeichnet ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft. Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe. Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? „Die spürst du nicht“ Zsolnay Verlag 304 Seiten ISBN: 978-3-552-07333-3 13Ein „kaiserliches“ Fest für Groß und Klein B ereits zum zwölften Mal fand auf der Kaiserwiese der „Tag des Samariter- bundes“ statt. Das Fest für die ganze Familie bot wieder ein buntes und vielfältiges Programm. Dabei durften weder Action noch Spaß fehlen. Das Programm war so vielfältig wie der Samariterbund selbst: Vorführungen der Rettungs- und Therapiebegleit- hunde, Präsentation von lebensret- tenden Erste-Hilfe-Maßnahmen und die Besichtigung der Rettungsautos, Rettungsmotorräder, Emergency-Bikes und Quads. „An diesem Tag kann man dem Sama- riterbund ganz nahekommen. Ob das nun ein Rettungsauto von innen ist oder die Rettungshundestaffel im Ein- satz – wir haben uns sehr gefreut, dass auch dieses Jahr wieder viele Menschen Im Schatten des Riesenrads präsentierte sich der Samariterbund mit einem vielfältigen Programm. Bei freiem Eintritt haben rund 10.000 Besucher:innen den „ Tag des Samariterbundes “ gefeiert. in die Welt der Samariterinnen und Samariter eintauchen wollten“, sagt Dr. Susanne Drapalik, Präsidentin des Samariterbund Wiens. Vielfalt ist angesagt Neben Informationen zu den Themen Pflege, Senioren-WGs, Wohnungs- losenhilfe, Betreuung für Geflüchtete und kostenlose Lernhilfe sorgten eine Rätselrallye sowie Gewinnspiele für Auflockerung und Spannung. „Es ist schön, dass wir dieses Jahr wieder zu diesem besonderen Event laden konn- ten. Dieses Fest für Groß und Klein ist immer wieder ein gelungener Anlass, das Angebot des Samariterbundes zu präsentieren und gleichzeitig viel Unterhaltung zu bieten“, sagt Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samari- terbund Wiens. Spiel und Spaß Besonders unterhaltsam für die jünge- ren Besucher:innen waren der Auftritt des beliebten Kinderliedermachers Bernhard Fibich und die Späße von Clown Poppo. Natürlich durften auch heuer die beiden Maskottchen Sam & Rita nicht fehlen. Kasperlvorführun- gen, Kinderschminken, eine Hüpfburg, ein Riesenwuzler und vieles mehr ließen die Kinderherzen höherschlagen. Musik und Kulinarik Aber nicht nur für die Jungen gab es Unterhaltung auf der Bühne. Die Carpats ließen den Tag musikalisch ausklingen. Die legendäre Feldküche des Samariterbundes zauberte neben vegetarischen Schmankerln auch ge- grillte Cevapcici auf die Teller. Zudem verwöhnte der Samariterbund-Koope- rationspartner und Essen-auf-Rädern- Fotos: APA Fotoservice/Hautzinger 14_INTERNProduzent Gourmet die Gäste mit köstlichen Bio-Topfen- knödeln mit fruchtigen Soßen. Nachhaltig und gratis Der „Tag des Samariterbundes“ war auch in diesem Jahr ein barrierefreier Öko-Event. Besonders geachtet wurde auf biologische und regionale Zutaten, klimafreundliche Mobilität, Ressourcenschonung und Müllvermeidung. Alle Speisen waren gratis. Aber: Freiwillige Spenden waren gern gesehen, denn die kamen dem Sozialprojekt „Suppentopf“ des Samariterbund Wiens und damit armutsbetroffenen Menschen zugute. Georg Widerin SUPPENTOPF Beim „ Samariter Suppentopf “ bereiten wir warme Speisen zu und verteilen diese an armuts- betroffene Menschen: samariterwien.at/suppentopf s: APA Fotoservice/Hautzinger Kinderliedermacher Bernhard Fibich sorgte mit Sam und Rita für gute Stimmung. Heiße Action auf der Kaiserwiese Die Ehrengäste beim diesjährigen Tag des Samariterbundes 15_INTERNG eht nicht gibt’s nicht“ – auf diese Aussage lässt sich letztlich all das zu- sammenfassen, was das PowerLEO-Programm des Samariter- bund Wiens ausmacht. Dabei handelt es sich um ein Projekt ausschließlich für Mädchen, bei dem es um das Be- wusstmachen von Lebens- und Berufs- wegen jenseits von Gender-Klischees und männerdominierten Strukturen geht, die in vielen Familien immer noch übergroß gelebt werden. Die insgesamt 64 teilnehmenden Mäd- chen zwischen sechs und 14 Jahren aus den drei LernLEOs des Samariterbund Wiens hatten dabei die Wahl aus einer Vielzahl höchst unterschiedlicher An- gebote: von der Bildungsberatung über Firmenbesuche bis zum praktischen Kennenlernen technischer Berufe, vom Malworkshop über einen Selbst- verteidigungskurs bis zur Begegnung mit weiblichen Vorbildern. Diese Role Models haben in ihren Leben Stereo- type durchbrochen, „frauenuntypische“ Berufe ergriffen und sehr viel erreicht. So wie Justizministerin Alma Zadić, die sich eine Stunde lang Zeit nahm, in den Räumen des LernLEOs von ihrer Biografie zu berichten und Fragen der Zuhörerinnen zu beantworten. Eine Blaupause für das in dieser Art wohl einzigartige Programm einer Lerneinrichtung gab es nicht. „Das haben wir uns selbst ausgedacht“, sagt Pia Camus. Sie ist Leiterin der Der Samariterbund Wien hat mit dem PowerLEO ein Programm gestartet, das Mädchen den Blick für eine selbstbestimmte Zukunft öffnen soll. Justitzministerin Alma Zadić unterstützt das Projekt PowerLEO, um Mädchen und junge Frauen zu einem selbstbestimmten Berufsleben zu ermutigen. Weg mit den Klischee-Fesseln Foto: Samariterbund LernLEO; Zdadić/Wenzel 16_REPORTINFOS Weitere Infos finden Sie im Internet: www.samariterbund.net/lernleo drei LernLEOs, die in Wien kostenlos unter anderem Hausaufgabenbetreu- ung, Nachhilfe, gemeinsames Spielen und Lesen sowie eine gesunde Jause anbieten. Birgit Greifeneder, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie beim Samariterbund Wien, und Camus hatten das PowerLEO vor über einem Jahr konzipiert. Doppelte Diskriminierung Entstanden ist die Idee aufgrund ihrer Erfahrungen aus den LernLEOs: Mäd- chen sind oft mehrfach diskriminiert, haben deswegen nicht die gleichen Chancen wie Burschen. Warum? Es ist einmal die Gesellschaft, die Frauen oft weniger zutraut und entsprechend weniger Optionen bietet. So, wie das auch bei Menschen mit Migrations- hintergrund der Fall ist. Mädchen oder Frauen mit einem Migrationshinter- grund erleben deswegen sogar eine doppelte Diskriminierung. Wenn dann noch konservativere Elternhäuser hinzukommen, die den Mädchen eben- falls weniger zutrauen oder erlauben, kommt die Benachteiligung nicht nur von außen, sondern herrscht auch innerfamiliär. Daher das PowerLEO als Versuch eines Gegensteuerns: „Die Mädchen zu fördern und ihnen zu zei- gen, dass ein Leben nach Klischeekri- terien nicht sein muss, war Ausgangs- punkt und Grundidee“, erklärt Camus. Die Pädagogin Aenna Frottier betreut neben Camus das Projekt federführend. Ihr ist besonders wichtig, dass den Mädchen klar wird, tatsächlich mehr Möglichkeiten zu haben, als ihnen zu Beginn bewusst war – sowohl hin- sichtlich der Freizeitgestaltung, des generellen Auftretens als auch der Berufsentwicklung. „Jeder Workshop ist ein Puzzlestein dazu. Wenn kleine Mädchen sich plötzlich als Fußball- spielerinnen zeichnen, dann ist das schon ein Schritt in diese Richtung.“ Mit Einfluss auf die Zukunft. Allein dadurch, dass sich die Mädchen auf unterschiedlichsten Ebenen mit dem Thema auseinandersetzen, ist ein Grundstein gelegt. „Und den kann man nicht mehr wegnehmen“, hofft Camus. Auf dass es umso selbstverständlicher für die Mädchen und jungen Frauen wird, alle (Lebens-)Wege beschreiten zu können und das auch selbstbewusst einzufordern. Langfristige Wirkung Für die Mädchen ist die Teilnahme gratis. Um das zu ermöglichen, wird das PowerLEO von der international tä- tigen und seit Langem in sozialen Pro- jekten engagierten Steuerberatungs- gesellschaft Mazars finanziert. Die Pilotphase des Programms endet im August. Eine Fortsetzung im kommen- den Jahr kann man sich beim LernLEO sehr gut vorstellen. „Wir haben Ideen für mindestens einen zweiten Durch- gang. Und je mehr man den Mädchen bietet, umso mehr wird sich da etwas verfestigen, eine langfristige Wirkung haben“, ist sich Frottier sicher. Am Interesse der Mädchen dürfte es nicht mangeln. Wo sie schließlich gerade zum Ende jedes Termins fragen, wann wohl der nächste sei. Michael Brommer o: Samariterbund LernLEO; Zdadić/Wenzel In Workshops lernen die Mädchen Alternativen zu Gender-Klischees. 17_REPORTFotos: Samariterbund C.Lipinsky „ICH WILL ETWAS ZURÜCK- GEBEN“ E s ist kurz nach sieben Uhr in der Früh an einem Wochentag im April. Ein durchtrainierter Mann schlichtet Kisten mit Gemüse, bäckt kurz frische Semmeln auf und packt mit an, wo Hilfe gebraucht wird. Und er beeilt sich, denn er weiß, er hat nicht viel Zeit. Um neun Uhr beginnt sein Brot-Job. Costantin Costea ist Gesundheitscoach und Fitnesstrainer. Unter der Woche kommt er täglich in der Früh in den Sozialmarkt, um hier ehrenamtlich mitzuarbeiten. Seine Frau Andrea ist die Leiterin des Marktes in der Böckhgasse 2–4. „Ich war hier etwa drei Jahre als Fahrer angestellt. Seit einem Jahr bin ich nun selbstständiger Fitness-Coach. Der Zusammenhalt hier war immer super. Deshalb komme ich nach wie vor in der Früh zum Helfen hier her“, erzählt uns Costea. Soziales Engagement und Nächstenliebe Zudem genießt er die gemeinsame Zeit mit seiner Frau in der Früh. Denn er ist ein ausgesprochener Morgenmensch. So kommt ihm diese frühe Zeit entgegen. „Aber vor allem helfe ich gerne anderen Menschen. Das ist mir wichtig und hat auch mit meiner religiösen Einstellung zu tun“, ergänzt er im Gespräch. Seine Frau Andrea hat er über eine christliche Gemeinde kennen und lieben gelernt. Das war vor fünf Jahren. Andrea und Constan- tin waren damals die ersten Mitarbeiter:innen in der Filiale Böckhgasse. Das alles hat ihn sehr geprägt. Er mag es, mit Menschen zu tun zu haben und diesen auch zu helfen. Somit ist für ihn diese Arbeit im Sozialmarkt des Samariterbundes sehr wichtig, wie er betont. Obwohl das alles mit viel Aufwand und Planung verbunden ist, mag Constantin die Atmosphäre im Sozialmarkt. „Da ich selbstständig bin, kann ich mir meine Zeit gut ein- teilen.“ Der Jurist als Fitness-Coach Das soziale Engagement für andere Menschen war ihm immer schon ein Anliegen. „Ich komme aus Rumänien und habe dort Jus fertig studiert. Aber ich bin jetzt sehr gern in Österreich, denn es gibt hier einfach eine bessere Lebensqualität. Und deshalb will ich auch etwas zurückgeben“, so Costea. Er hätte auch in Österreich als Jurist anfangen können zu arbeiten. Denn mitt- lerweile ist sein Studium hier auch anerkannt und bereits nostrifiziert. Als er aber vor einigen Jahren intensiv begonnen hat, körperlich zu trainieren, wusste er, dass er das auch beruflich machen will: „Ich habe mich so gut und wohl gefühlt. Und dieses Gefühl wollte ich weitergeben. So bin ich in diesem Metier geblieben.“ Constantin blickt auf die Uhr. Er beeilt sich, um noch ein paar Handgriffe zu erledigen. Denn bald beginnt sein eigentlicher Beruf. Georg Widerin Der studierte Jurist Constantin Costea ist einer von vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen des Samariterbundes. Für ihn ist der unentgeltliche Einsatz für die Gemeinschaft ein Herzensanliegen. Und das in mehrerlei Hinsicht. Constantin Costea und seine Frau Andrea 18_REPORTFotos: Samariterbund C.Lipinskyos: Samariterbund C.Lipinsky NICHT NUR REDEN, SONDERN TUN E ine wichtige Säule der Gruppe Simmering ist die Jugendarbeit. Das ist vor allem Susi Tiller zu verdanken. Für sie ist die Arbeit mit dem Nachwuchs eine wichtige Aufgabe. „Viele Neuzugänge kommen bei uns aus der Jugend heraus. Wie etwa Tobias“, erzählt Tiller. Tobias Kosztka ist trotz seines jugendlichen Alters bereits seit 13 Jahren dabei. „Ich war damals mit meiner Oma auf einem Straßenfest. Da hatten die Samariter auch einen Stand. So hat alles begonnen“, erzählt Tobias. Hier in Simmering sei man eine „kleine große“ Gruppe. Durch entstandene Freundschaften festigt sich ein nahezu familiärer Zusammenhalt. „Ich wusste immer schon, dass ich mich in diesem Bereich engagieren möchte. Ich stu- diere jetzt Gesundheits-und Kranken- pflege. Das lässt sich sehr gut mit dem Rettungsdienst verknüpfen“, so Koszta. Alleinstellungsmerkmal: Rettungshunde Die Gruppe ist die einzige in Wien, die eine Rettungshundestaffel be- treibt. „Bei der Flächensuche versuchen wir, vermisste Personen aufzuspüren. Beim Mantrailing wird nur eine ganz bestimmte Person gesucht. Und die Trümmersuche kommt meist bei Katas- trophen zum Einsatz“, erklärt uns Peter Kummerfeld, Leiter der Hundestaffel Simmering. Derzeit zählt die Rettungs- hundestaffel 21 Mitglieder, 15 davon sind aktive Hundeteams. Wichtig ist das regelmäßige Training: „Die Hunde verlernen das Gelernte zwar nicht. Aber Die Gruppe Simmering ist rein ehrenamtlich organisiert. Nicht zuletzt deshalb werden Zusammenhalt und familiäres Flair großgeschrieben. Zudem ist sie die einzige Gruppe in Wien mit einer Rettungshundestaffel. das ist wie bei einem Leistungssportler: Ohne Training werden sie langsamer“, so Kummerfeld. „Ich habe 1998 den Zivildienst ab- solviert, bin dann klassisch hängen geblieben und immer mehr hinein- gewachsen“, erzählt Obmann und Rettungskommandant Harald Knödler über seine Anfänge bei den Samari- ter:innen. „Seit einigen Jahren und nicht zuletzt seit der Corona-Krise haben wir noch einmal mehr unseren Einsatz und unser Engagement zeigen können“, so Knödler. Die Gruppe Simmering ist eine rein ehrenamtliche Gruppe mit 90 Sanitäter:innen, 50 Mitarbeiter:innen bei der Wasserret- tung und der Hundestaffel, 20 aktiven Jugendmitgliedern und an die 100 unterstützenden Mitgliedern. „Ein ganz besonderer Blickfang ist unser RTW 114. Der Wagen fährt zwei bis dreimal Mal die Woche für den allge- meinen Wiener Fuhrpark und hat einen für Wien einzigartigen Kofferaufbau“, ergänzt Knödler. Zentrale Anlaufstelle und „guter Geist“ Susi Tiller ist seit 1999 dabei. Sie ist „der gute Geist“ der Gruppe. „Sie will das nicht hören“, meint Knödler, „aber das ist so. Denn bei der Susi laufen alle Fäden zusammen, und wenn es schnell gehen muss, dann ist sie immer zur Stelle.“ Nicht zuletzt auch deswegen, weil sie eine der wenigen ist, die auch im Bezirk wohnen. Wünsche für die Zukunft? „Dass jemand meinen Job übernimmt“, lacht Tiller. Dem stimmt Harald Knödler nur bedingt zu. „Ich fürchte mich schon jetzt vor dem Tag, wenn die Susi dann aufhört. Weil dann brauchen wir mehrere Leute, die das machen, was die Susi jetzt macht. Georg Widerin INFO & KONTAKT Gruppe Simmering: Dittmanngasse 1A, 1110 Wien Tel: 01 89 145 9111 E-Mail: office@samariter11.org www.samariter11.org Ein Blickfang: Der RTW 114 mit Kofferaufbau 19_INTERN19Next >