www.samariterwien.at WIEN AKTUELL HEISSER EINSATZ KANN MAN DAS KLIMA NOCH RETTEN? INTERVIEW_DANIEL GLATTAUER Erfolgsautor über Flüchtlingshilfe, Integration und sein neues Buch INTERVIEW_HELGA KROMP-KOLB Klimaforscherin über Erderwärmung und deren Folgen Das Magazin des Samariterbund Wiens No. 02/JUNI 2023 REPORT_FEST FÜR DIE FAMILIE Im Wiener Prater fand zum zwölften Mal der Tag des Samariterbundes statt. Österreichische Post AG – MZ 02Z034001M – Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien, 1150 Wien, Pillergasse 24Nähere Infos zu unseren fünf Senioren-WGs unter 01 / 89 145-283 oder gsd-info@samariterbund.net SENIOREN-WOHNGEMEINSCHAFTEN Unsere Standorte: 1110 Wien, Braunhubergasse 24A 1110 Wien, Herbortgasse 35 1200 Wien, Kapaunplatz 7 1220 Wien, Mühlgrundgasse 3 1230 Wien, Helene-Thimig-Weg 4 Zimmer frei! Neue Mitbewohner:innen für unsere Senioren-WGs gesucht!Unsere Standorte: 1110 Wien, Braunhubergasse 24A 1110 Wien, Herbortgasse 35 1200 Wien, Kapaunplatz 7 1220 Wien, Mühlgrundgasse 3 1230 Wien, Helene-Thimig-Weg 4 _REPORT 04Heißer Einsatz So geht der ASB mit Hitzetagen um 11 Ukrainehilfe Mobil betreutes Wohnen 12Interview mit Daniel Glattauer Über Flüchtlingshilfe und sein neues Buch 16PowerLEO Empowerment für Mädchen 18Ehrenamt Freiwilligenarbeit im SOMA _SERVICE 06Klimawandel Klimaforscherin Helga Kromp- Kolb über Erderwärmung 08 Grün statt Grau Gegen Hitze gerüstet 09Hitze-Tipps Das hilft bei hohen Temperaturen _INTERN 04 Kolumne der Präsidentin Dr. Susanne Drapalik 15 Tag des Samariterbundes Fest für die ganze Familie 19 Gruppe Simmering Ehrenamtlicher Einsatz 20Blick in die Redaktion Wer steckt hinter den Texten? 23Kinderseiten Rätselspaß mit Sam & Rita Liebe Leserinnen! Liebe Leser! Das Cover verrät es auf den ersten Blick: Die aktuelle Ausgabe von sam WIEN steht ganz im Zeichen von Hitze und Klimawandel. Sie können dieses Thema nicht mehr hören? Es wird leider nicht mehr verschwinden. Ganz im Gegenteil. Das bestätigen auch alle Expert:innen und Interviewpartner:innen, mit denen wir für die aktuelle Ausgabe gesprochen haben. „Es gibt keinen Sektor, der nicht direkt oder indirekt vom Klimawandel betroffen wäre“, sagt die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im Interview (Seite 6 f.). Tatsächlich sind die Auswirkungen auf das Ökosystem eklatant. Und im Endeffekt immer auch sozialer Natur. Denn Temperaturanstieg und Wetterex- treme betreffen Wasserverfügbarkeit, Artenvielfalt oder Lebensmittelversorgung. Das sind soziale und wirtschaftliche Krisenherde, die beweisen: Es liegt in unser aller (!) Interesse, der Natur spätestens jetzt wieder einen Schritt entgegenzuge- hen. Auch beim Samariterbund spüren wir diese Auswirkungen in unserer täglichen Arbeit. Die Hitze merken z. B. unsere Rettungssanitäter:innen, die an heißen Tagen vermehrt zu Einsätzen gerufen werden. Aber auch in der Wohnungslosen- hilfe ist Unterstützung gefragt, wenn Menschen ohne Dach über dem Kopf der sengenden Hitze ausgesetzt sind. Genauso im Bereich der Pflege und Betreuung älterer Menschen, denen die hohen Temperaturen besonders zu schaffen machen. Der globale Temperaturanstieg wird sich auch vermehrt auf Fluchtbewegungen auswirken und die Zahl der Klimaflüchtlinge ansteigen lassen. Das ist eine weitere Herausforderung, der wir uns unbedingt gemeinsam stellen müssen. Sei es aus sozialem oder wirtschaftlichem Gewissen. „Unsere Flüchtlingspolitik finde ich grauenhaft“, sagt dazu Bestsellerautor Daniel Glattauer im Interview (Seite 12 f.) – und meint damit vor allem den herrschenden politischen Ton, der es den Men- schen erschwert, ein Flüchtlingsschicksal auch als solches wahrzunehmen und mitzufühlen. Ihr Oliver Löhlein Geschäftsführer Samariterbund Wien Fotos: Samariterbund /C. Lipinsky IMPRESSUM UND OFFENLEGUNG Herausgeber: Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien, 1150 Wien, Pillergasse 24, Vereinsbehörde: Landespolizeidirektion Wien, ZVR-Zahl: 075978542, UID- Nummer: ATU 520 20 904. Medieninhaber/Hersteller: Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien, 1150 Wien, Pillergasse 24. Redaktion: Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, 1150 Wien, Hollergasse 2–6, Mag. a Susanne Kritzer, Georg Biron, Ass. iur. Michael Brommer, Dorothee Huber MA , Peter Kalcic BA MAS, Lukas Laschitz,Ing. Michael Lichtblau-Früh, Christoph Lipinsky, Mag. a Anja Schmidt, Franziska Springer, Florian Schwenkkrauss MA, Markus Tadros, Mag.a Martina Vitek-Neumayer, Mag. (FH) Georg Widerin, Moritz Rauth BSc, Bertram Gross; Coverfoto: C.Lipinsky; Druckerei: Leykam Druck GmbH, Bickfordstraße 2, A-7201 Neudörfl. Herstellungsort: Wien. Blattlinie: Berichte über die Tätigkeit des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Wien. Namentlich gekennzeichnete Beiträge und Gastkommentare müssen nicht mit der Meinung des Herausgebers übereinstimmen. Entgeltliche Einschaltungen werden mit „entgeltliche Einschaltung“ oder „bezahlte Anzeige“ gekennzeichnet. DATENSCHUTZINFORMATION: Der Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien verarbeitet personenbezogene Daten von Mitgliedern, Kunden, Klienten und Spendern zur Erfüllung des jeweiligen Zwecks, für den der Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien sowie die verbundenen Unternehmen Samariterbund Wien Rettung und Soziale Dienste gGmbH, Arbeiter-Samariter-Bund Wien Gesundheits- und Soziale Dienste gGmbH und Arbeiter-Samariter-Bund Wien Wohnen und Soziale Dienstleistungen gGmbH die Daten erhoben haben. Näheres finden Sie unter www.samariterbund.net/datenschutz. Der Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesverband Wien verarbeitet darüber hinaus die Kontaktinformationen sämtlicher Personenkontakte zum Zwecke der Zusendung dieses Magazins. Die Verarbeitung erfolgt auf Grundlage des berechtigten Interesses, über das eigene Lieferungs- und Leistungsspektrum zu informieren. Die Daten werden nur solange gespeichert, als zur Erfüllung dieses Zwecks erforderlich ist. Der von der Verarbeitung Betroffene hat das Recht auf Auskunft über die gespeicherten Daten gemäß Art 15 DSGVO, auf Berichtigung unzutreffender Daten gemäß Art 16 DSGVO, auf Löschung der Daten gemäß Art 17 DSGVO, auf Einschränkung der Verarbeitung von Daten gemäß Art 18 DSGVO, auf Widerspruch gegen die unzumutbare Datenverarbeitung gemäß Art 21 DSGVO sowie auf Datenübertragbarkeit gemäß Art 20 DSGVO. Der Betroffene hat das Recht sich bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren – zuständig ist in Österreich die Datenschutzbehörde. 3_EDITORIALLiebe Leserinnen! Liebe Leser! W enn Sie diese Zeilen lesen, bringt uns der Sommer be- reits ins Schwitzen. Doch wie verhal- ten wir uns an Hitzetagen richtig? Wie beugen wir Dehydrierung, Hitzeschlag und Sonnenstich vor? Und wie unter- stützen wir den Körper bei der Regu- lierung des Flüssigkeitshaushalts? Das oberste Gebot lautet wenig über- raschend: trinken, trinken, trinken! An besonders heißen Tagen sollte man die Flüssigkeitszufuhr von zwei bis drei auf gut und gerne vier Liter erhöhen! Personen mit Herzschwä- che und Herzerkrankungen müssen die Trinkmenge mit ihrem Hausarzt abklären. Schwitzen bedeutet für den Körper einen Mineral- und Elektro- lytverlust – zum Ausgleich empfehle ich vor allem Mineralwasser, Tee und gespritzte Fruchtsäfte. Alkohol und fettige Speisen hingegen sorgen für Kreislaufprobleme, Müdigkeit und niedrigen Blutdruck. Meiden Sie zudem körperliche An- strengung und die pralle Sonne. Grei- fen Sie zu luftiger, heller Kleidung und einer Kopfbedeckung. Und achten Sie auf Gefahrenzeichen wie Schwindel, Blässe oder Übelkeit. Im Fall der Fälle gilt es Erste Hilfe zu leisten oder Hilfe zu holen. Aber: Vergessen Sie bei all den Vorsichtsmaßnahmen keinesfalls, den Sommer auch zu genießen! Ihre Dr. Susanne Drapalik Heißer Einsatz Der Samariterbund stellt sich auf den Temperaturanstieg ein. W as hat große Trocken- heit mit den Sozialmärk- ten zu tun? Warum können auch Wohnungslose von einem Blackout betroffen sein? Und wie geht es eigentlich Therapiebegleithunden an echten Hundstagen? Die Klima- krise mit ihren immer häufige- ren Hitzeperioden und höheren Durchschnittstemperaturen be- schäftigt auch den Samariterbund Wien schon seit Jahren. Die Folge: So breit, wie das Angebot an Hilfs- leistungen ist, so unterschiedlich sind auch die Antworten auf 30 Grad plus. Kühle ist bei Georg Jelenko nicht nur eine Frage des Komforts. Sie ist für den Leiter der fünf Sozial- märkte des Samariterbund Wiens das A und O. Denn ohne sie geht nichts, weil das Wichtigste aus der Angebotspalette für von Armut be- troffene Menschen keine Hitze ver- trägt: die Lebensmittel. Das beginnt schon beim Abholen gespendeter Ware in Supermärkten oder Restaurants. Um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, sind Fahrzeuge mit speziellen Kühlag- gregaten notwendig, die den Transport bei konstant acht Grad ermöglichen – Kühlschranktemperatur. Bei höheren Werten auf dem Außenthermometer müssen die Aggregate allerdings eine höhere Leistung erbringen, was den Energieverbrauch steigert und damit die Kosten. Doch hat die Klimakrise hier noch weitere Auswirkungen. Bei großer Trockenheit sinkt das Angebot an Obst und Gemüse, weil insgesamt weniger geerntet und in den Märkten entspre- chend weniger abgegeben wird. Betrof- fen sind zum Beispiel Salat, Mais, Erd- beeren. Zukünftig also könnte sich, so prognostiziert Jelenko, das Sortiment entsprechend verändern. Zum Beispiel durch heimischen Anbau von Obst und Gemüse, das besser an wärmeres Klima angepasst ist. KOLUMNE DER PRÄSIDENTIN Dr. Susanne Drapalik, Präsidentin des Samariterbund Wiens 4_REPORTImmer mehr Patient:innen mit Hitzekollaps Weniger Einsätze erwartet Michael Berger, Leiter der Rettungs- und Krankentransporte beim Samariter- bund Wien, nicht. Allein die Anzahl der Hitzekollapse hat in den vergan- genen Jahren stetig zugenommen. Auf 22 Grad sind die inzwischen durchwegs klimatisierten Kranken- wägen temperiert, sodass Sanitä- ter:innen wie Patient:innen einen kühlen Kopf behalten bzw. bekom- men. Bei 35 Grad Außentemperatur sollte die Tür am Heck aber trotz- dem nicht allzu lang offenstehen. Denn selbst die Kühleinheiten dieser Spezialfahrzeuge stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Und freilich sind die Zwölf-Stunden-Dienste für die Rettungswagenbesatzungen durch die Hitze anstrengender geworden. Da heißt es viel trinken und passend pausieren. Vielleicht gibt es zudem von anderer Seite Entlastung: Berger denkt hier an atmungsaktivere Stoffe bei den Uniformen, die eine Erleich- terung bedeuten könnten. Wohnungslose sind der Hitze besonders ausgeliefert Wer keine Wohnung hat, ist so unmittelbar von der Klimakrise be- troffen wie sonst wohl kaum jemand. Stürmen, Starkregen, aber eben auch Hitzestaus in der Stadt sind Woh- nungslose schutzlos ausgeliefert – es sei denn, sie haben etwa in einer der Unterkünfte des Samariterbund Wiens Platz gefunden. Durch die Wärme hat sich dort, wie in anderen vergleichbaren Wohnungen auch, der Alltag verändert. Für Entlastung sorgen deswegen unter anderem fer Speisen bis hin zum Verzehr von kühlenden Lebensmitteln wie Gurken oder Wassermelonen. Und natürlich die Klient:innen noch mehr als früher an das Trinken, etwa Pfefferminztee, zu erinnern. Die Pfleger:innen selbst haben die Dienstkleidung bereits adaptiert und tragen an solchen Tagen T-Shirts statt Polohemden. Gut haben es die Ausbilder:innen im Schulungsbe- trieb. Ihre Räume sind schon komplett klimatisiert, in denen sie die Teilneh- mer:innen der Erste-Hilfe-Kurse mehr denn je für das Erkennen von Sonnen- stich sowie Hitzschlag sensibilisieren und ihnen dazugehörige Maßnahmen beibringen. Hundstage für Vierbeiner Es sind mit die beliebtesten Kolleg:in- nen im Samariterbund Wien, die der Hitze nicht einfach durch angepasste Kleidung begegnen können. Sie tragen immer ihr Fell. Die Besuchs- und Therapiebegleithunde der Gruppe Favoriten schieben maximal zwei Mal pro Woche Dienst, jeweils bis zu 50 Minuten, sind unter anderem in Senio- renheimen und Kindergärten unter- wegs. Die Hitze hat gleich doppelte Veränderung gebracht. Zum einen muss häufiger als früher die wöchent- liche Zwei-Stunden-Trainingseinheit abgesagt werden, denn ab 28 Grad ist es für die Tiere schlicht zu heiß und das Ausweichen in eine Halle nicht immer möglich. Ab 30 Grad gibt es grund- sätzlich keine Einsätze mehr, oder sie werden abgebrochen. Besonders Huskys und Neufundländer haben es schwer bei den weiter steigenden Tem- peraturen. Doch geben die Hunde samt ihren Besitzer:innen nicht auf, werden Trainingseinheiten in die Abend- oder wochenendliche Morgenstunden ver- legt, verkürzt und die Einsätze auf den frühen Vor- oder späten Nachmittag terminiert, bevorzugt in gekühlten Innenräumen oder schattigen Gär- ten. Dort lassen sich dann auch echte Hundstage aushalten. Michael Brommer bauliche Veränderungen wie die An- bringung von Außenjalousien – was ebenfalls für die Senioren-WGs gerade ein Thema ist. Dass die Klimakrise durch die Überlastung der Stromnetze einen Blackout verursachen könnte, diskutiert der Bereich Wohnungslosen- und Flüchtlingshilfe bereits seit dem vergangenen Jahr, um eine möglichst gute Versorgung der Klient:innen auch in einer solchen Situation gewährleis- ten zu können. In der Pflege bleibt den Mitarbeiter:in- nen von Hermine Freitag nicht viel mehr, als den Klient:innen verschie- dene Tipps zu geben: von der Ver- schattung und morgendlichem Lüften über das Tragen leichter Kleidung und Vermeiden schwerer oder schar- Fotos: Samariterbund C.Lipinsky/Leonardo AI Auf 22°C temperierte Krankenwägen sorgen bei Sanitäter:innen für kühle Köpfe. Auch die Besuchs- und Therapiebegleithunde arbeiten bei großer Hitze lieber drinnen. 5_REPORT„In Wien schon jetzt ein Temperaturplus von 2,9 Grad“ Die Klimakrise betrifft uns alle – vor allem aber künftige Generationen, die mit der Erderwärmung leben müssen. Noch immer fehlt vielen Menschen die Bereitschaft, den CO 2 - Ausstoß zu senken und damit den Klimawandel zu bremsen. WIEN hat mit der renommierten Klimaforscherin Dr. Helga Kromp-Kolb über die Folgen der Erwärmung und über die Gründe gesprochen, warum gerade Österreich vom schnellen Temperaturanstieg betroffen ist. WIEN: Im Pariser Klimaab- kommen ist das Ziel festgelegt, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Pe- riode (1850-1900) zu beschränken. Während derzeit der weltweite Temperaturanstieg bei rund einem Grad liegt, verzeichnet Österreich schon heute einen Anstieg um 2,7 Grad. Warum ist gerade Österreich von der Erderwärmung so stark betroffen? Helga Kromp-Kolb: Der Temperatur- anstieg erfolgt in Österreich schnel- ler, da wir ein kontinentales Gebirgs- land sind. Länder, die an einen Ozean grenzen, erwärmen sich langsamer, da sich der Ozean dämpfend auf die Erwärmung auswirkt. Gleichzeitig ist Österreich eine Gebirgsregion, deren Schneedecke abnimmt. Die Gletscher ziehen sich zurück, und es kommt dunkles Gestein zum Vorschein – diese Flächen nehmen mehr Energie auf, was bedeutet, dass sie sich stärker erwärmen. Welche heimischen Regionen sind vom starken Temperaturanstieg besonders betroffen? Neben den Gebirgsregionen ist das vor allem der Osten Österreichs. Der klimatische Einfluss durch den großen Kontinentalraum ist vor allem in Wien, im Burgenland und in Teilen Kärntens und der Steiermark spürbar. In Wien haben wir schon jetzt ein Temperatur- plus von 2,9 – also fast 3 Grad. Sollte der Klimawandel nicht gestoppt werden, gehen Expert:in- nen davon aus, dass in 15 Jahren nur noch die Hälfte der heimischen Gletscher übrig sind und in 80 Jahren Österreich gletscherfrei ist. Welche Auswirkungen sind da- durch zu erwarten? Durch den Rückgang der Gletscher schreitet die Erwärmung noch schneller voran. Es gibt aber eine Fülle an anderen Konsequenzen, die mit der Gletscherschmelze zusam- menhängen: Flüsse werden von den Gletschern gespeist – je kleiner die Gletscher sind, desto weniger Wasser kann im Sommer abfließen. Ohne Schnee und Eis wird im Gebirge loses Gestein freigelegt, das bei Unwettern, vor allem bei Hagel, als Mure ins Tal abgehen kann. Dadurch besteht eine große Gefährdung des alpinen Raums. Und natürlich leidet der Tourismus in mehrfacher Weise. Fotos: Mitja Kobal Dr. Helga Kromp-Kolb 6_REPORT1760 -2 -1 0 1 2 17801800 Österreich (1768–2022)Weltweit (1850–2022)Quelle:GeoSphere Austria 18201840186018801900192019401960198020002020 Abweichung der jährlichen Temperatur in °C Was bedeutet der Temperaturan- stieg für unsere Zukunft? Es hängt alles davon ab, ob wir die Pariser Klimaziele einhalten. Wenn der globale Anstieg bei zwei Grad liegt, werden wir in Österreich eine Erwärmung um etwa vier Grad erle- ben. In Österreich muss auf jeden Fall mit einem Faktor zwei gegenüber dem globalen Anstieg gerechnet werden, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass es bei den Spitzenwer- ten zu einer Erwärmung um deutlich mehr als vier Grad kommt. Schon jetzt verzeichnen wir in Österreich jähr- lich mehr Hitzetote als Verkehrstote – trotzdem spricht niemand darüber. Der Klimawandel hat vielfältige Aus- wirkungen auf das gesamte ökologische System – auf Extremwetterereignisse, die Verfügbarkeit von Wasser, die Aus- breitung von Schädlingen, die Arten- vielfalt, aber auch auf die Land- und Forstwirtschaft. Es gibt keinen Sektor, der nicht direkt oder indirekt vom Klimawandel betroffen wäre. Auch Wirtschaftskrisen, soziale Krisen und eine Zunahme von Klimaflüchtlingen wären Folgen eines globalen Tempera- turanstiegs von zwei Grad. Die Ent- scheidung, wie die Zukunft ausschauen wird, liegt bei uns! Können wir den Klimawandel noch verhindern? Auf jeden Fall können wir die Ge- schwindigkeit beeinflussen, mit der der Temperaturanstieg voranschreitet. Jedes Zehntelgrad Erwärmung, das wir erst später erfahren, ist ein Vorteil. Ob es möglich ist, das Klima noch zu stabi- lisieren, ist eine offene Frage, aber man muss es auf jeden Fall versuchen. Was kann jede:r Einzelne gegen den Klimawandel tun? Wirksam ist, die Treibhausgasemis- sionen zu reduzieren, d.h. aus fossi- ler Energie auszusteigen, Bedarf zu reduzieren und Energieeffizienz zu steigern – etwa durch den Umstieg vom motorisierten Individual- auf öffentlichen Verkehr. Auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft kann man rasch und direkt Einfluss neh- men, indem man die Essgewohnheiten ändert – weniger Fleisch und Milch, mehr Hülsenfrüchte, Obst und Ge- müse in Bio-Qualität. Die biologische Landwirtschaft speichert Kohlenstoffe im Boden und fördert so den Humus- aufbau. Dadurch speichert der Boden Wasser besser, wodurch es nicht so leicht zu Überschwemmungen oder Dürren kommt. Der Menschen ist Treiber des Klima- wandels. Wir wissen, dass die Emis- sionen stattfinden, weil die Menschen etwas haben wollen, das produziert werden muss. Es geht um eine Än- derung unseres Lebensstils und die Überlegung, was wirklich notwendig ist. Auch bei der Kleidung ist es sinn- voll, zu langlebigen, reparierbaren Produkten zu greifen und Ungewolltes zu tauschen statt wegzuwerfen. Wir müssen umdenken, wie wir MIT der Natur statt GEGEN sie leben kön- nen. Kurzfristige Lösungen führen oft nur zu einer Anhäufung von Proble- men – derzeit im Sozialen gut beob- achtbar. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Der Klima- schutz könnte Anlass sein, auch die sozialen Probleme zu lösen. Die sozial- ökologische Steuer mit Klimabonus ist z. B. ein Umverteilungsmechanismus, der bedürftigen Menschen zugute- kommt. Mit den richtigen Lösungen kann es gelingen, zu einer gerechte- ren Welt zu gelangen – mit besserer Lebensqualität, wenn auch mit einem anderen, vielleicht reduzierten Le- bensstandard. Praktisch könnte das heißen: kein Auto, aber dafür weniger Hektik im Alltag und mehr selbstbe- stimmte Zeit. Susanne Kritzer tos: Mitja Kobal 7_REPORTDoris Schnepf Geschäftsführerin des Stadtentwicklungs- und Planungsbüros green4cities Wie Stadtplanung und jede:r Einzelne dabei helfen können, der Hitze zu begegnen. F rüher galt es als fort- schrittlich, die Natur aus der Stadt möglichst zu verbannen. Oder zu- mindest größtmöglich einzuhegen. Breite Straßen, weite Plätze, massig Stein, Beton, Asphalt – was komfor- tabel schien, ist heute zum erklärten Gegner der Stadtplaner:innen gewor- den. Da aufgrund der Klimakrise je- des Jahr die Menge der Hitzetage (ab 30 Grad) wie der Tropennächte (nicht unter 20 Grad) steigt, haben sich auch Merkmale für Lebensqualität gerade in einer Metropole wie Wien gewandelt. Kühle, Grün, Schatten sind gefragt angesichts einer Viel- zahl versiegelter Flächen am Boden und von Fassaden, die zu wahren Heizstrahlern geworden sind. Infolge von bis zu 60 Grad heißen Haus- wänden droht das Wohnen gerade in schlecht oder gar nicht gedämmten Wohnungen ohne Balkon zum mas- siven, direkten Gesundheitsproblem zu werden. Was zugleich ein soziales Problem ist, weil diese Unterkünfte meist günstiger als andere sind und daher eher von Menschen mit gerin- gerem Einkommen bewohnt werden. Was also tun? Ausgereifte Pläne, wie man die Stadt aus dem Würge- griff der Hitze befreien kann, gibt es Grün statt Grau Fotos: istock; Doris Schnepf privat längst – und werden, neben dem im Internet abrufbaren Hitzeaktionsplan (s. Kasten) auch bereits teils umge- setzt, etwa Coolspots durch Vernebler oder die verbesserte Bewässerung von Bäumen nach dem Schwamm- stadt-Prinzip. Ein anderes Beispiel: Ab Sommer bekommen die Innenhöfe des Museumsquartiers sukzessive eine üppige Bepflanzung. Doch sind viele bauliche Veränderun- gen oftmals ausgesprochen planungs- und zeitintensiv. „Zeit, die wir nicht mehr haben“, stellt Doris Schnepf fest. Sie ist Mitbegründerin und Geschäfts- führerin des Stadtentwicklungs- und Planungsbüros green4cities. Ihre Firma entwirft und realisiert für Städ- te in Österreich und Europa Projekte zur Abkühlung sowie Klimawandel- anpassung. Sie reichen von Dach- und Fassadenbegrünung (was neben dem Temperatureffekt auch weniger Straßenlärm bedeutet) über neuartige Pflasterung, durch die gesammeltes Regenwasser großflächig verdunsten und so für Kühle sorgen kann, bis hin zu ganzen Grätzlumgestaltungen. Da- durch kann die Natur, etwa durch die Auflassung von Parkplätzen zuguns- ten von Baumpflanzungen, wieder vermehrt vor der eigenen Wohnungs- tür Platz finden. „Die Stadt muss als Naturraum funktionieren“, bestätigt Schnepfs Co-Geschäftsführer Bern- hard König. Und sie selbst mahnt: „Bei diesem Transformationsprozess muss auch die Bevölkerung mitma- chen und darf nicht warten, dass die öffentliche Hand alles übernimmt.“ Michael Brommer HITZEAKTIONSPLAN Infos unter: www.wien.gv.at/umwelt/cooleswien/ hitzeaktionsplan.html 8_SERVICEZehn Tipps, die jede:r rasch umsetzen kann, um die Hitze in den eigenen vier Wänden zu verringern. H itze kann nicht nur müh- sam, sondern eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit sein. Das zeigt schon ein Blick in die Statistik: Mitunter sterben in Öster- reich mehr Personen daran als bei Un- fällen im Straßenverkehr. Wer zuhause nicht über eine Klimaanlage verfügt, bekommt dort die Auswirkungen der Klimakrise buchstäblich hautnah zu spüren. Wie kann man aber der Hitze begegnen? Hier zehn Tipps: Das Allerwichtigste ist, ausreichend zu trinken. An besonders heißen Tagen sollen es möglichst drei bis vier Liter am Tag sein. Am besten eignen sich Wasser oder Getränke mit wenig Zucker – Schwarztee, Kaffee oder alkoholhaltige Geträn- ke zählen nicht dazu. Und denken Sie bitte auch an Ihr Umfeld: Babys, Kleinkinder, alte Menschen und Menschen mit Behinderungen trinken oft zu wenig, sie brauchen entsprechend viele Angebote oder auch Erinnerung. Entlasten Sie Ihre Verdauung, und essen Sie kalorienarme, leichte Kost mit hohem Wassergehalt, etwa Ge- müse, Früchte und Milchprodukte. Nutzen Sie die (vergleichsweise) Kühle der Nacht und des frühen Morgens zum Lüften. Lassen Sie sonst die Fenster geschlossen, denn die hereinströmende Wärme Verdunkeln, pflanzen, trinken os: istock; Doris Schnepf privatFotos: istock heizt die Räume noch zusätzlich auf. Ausnahme: Wo sich Gasther- men befinden, sollten Fenster auch tagsüber geöffnet werden, um die Gefahr eines Kohlenmonoxid-Staus zu reduzieren. Verdunkeln Sie während der Son- nenscheindauer Ihre Wohnung – am besten mit Jalousien. Aber auch eine Markise sowie innen ange- brachte Rollos helfen. Halten Sie sich draußen möglichst im Schatten auf, und vermeiden Sie den Aufenthalt im Freien während der Mittagszeit. Helle, luftige Kleidung aus Baum- wolle oder sonstigen Naturfasern führt zu weniger Erhitzung der Körperoberfläche. Kühlen Sie Ihren Körper durch Duschen oder kalte Wickel. Achten Sie bei Medikamenten auf eine korrekte Lagerung! Was das je- weilige Präparat verträgt, verrät der Beipackzettel. Zudem reagiert der Körper unter Hitzeeinwirkung auf Wirkstoffe mitunter anders als ge- wohnt. Dies gilt ganz besonders bei Bluthochdruck, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Energieeffiziente Elektrogeräte geben weniger Hitze ab. Nutzen Sie zudem möglichst wenig Technik und schalten Sie sie komplett aus statt sie nur in den Stand-by-Be- trieb zu versetzen. Wenn Sie über einen Balkon oder Garten verfügen, achten Sie auf ausreichend Bepflanzung, denn sie sorgt ebenfalls für Abkühlung. Michael Brommer Die Hitze macht auch das Leben in den eigenen vier Wänden immer mühsamer. Viel trinken ist das Wichtigste. Hitze ist eine große Gefahr für die Gesundheit. 9_SERVICENext >